Veranstaltung: | KMV Grüne Münster 14.11.2023 – Strukturen |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 3. Vielfaltsstatut für den Kreisverband Münster |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Kreisvorstand |
Beschlossen am: | 14.11.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
STATUT FÜR EINE VIELFÄLTIGE PARTEI
Beschlusstext
I. Präambel
Die Vielfalt unserer Partei ist unsere Stärke.
Wir teilen politische Macht und verstehen uns als Bündnispartei, die auf der Grundlage
gemeinsamer Überzeugungen offen ist für unterschiedliche Erfahrungen, Vorstellungen und
Ansätze. Unsere Politik hat das Ziel, gemeinsam mit einer starken Zivilgesellschaft die
gleichberechtigte Teilhabe Aller zu erkämpfen und diskriminierende Strukturen zu überwinden.
Wir sind auf vielfältiges biographisches Erfahrungswissen und vielfältige Perspektiven
angewiesen, um als Partei umfassende Antworten auf Fragen zu finden, die uns als gesamte
Gesellschaft betreffen.
Am Beginn politischer Veränderung steht die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Vieles hat sich in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren in gemeinsamer Initiative mit
Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft und mit unserer Unterstützung zum Positiven
verändert: bei der Gleichstellung der Geschlechter, beim Staatsangehörigkeitsrecht, bei der
Ehe für alle oder bei der Inklusion. Doch trotz dieser unbestreitbaren Fortschritte sind
nach wie vor große gesellschaftliche Gruppen unterrepräsentiert, ist das Bildungssystem noch
immer nicht so, dass alle Kinder die gleichen Startchancen haben, gibt es soziale und
strukturelle Barrieren, fehlenden Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe und Infrastruktur.
Unser Leitbild ist die Inklusive Gesellschaft der Vielen in einer pluralen Demokratie.
Pluralität anzuerkennen und zu leben bedeutet nicht, relativistisch gegenüber Haltungen und
Positionierungen zu sein, die mit den grünen Werten von Selbstbestimmung, Freiheit und
Demokratie nicht in Einklang stehen. Wir wollen, dass alle mit am Tisch sitzen und
mitentscheiden. Dabei wissen wir, dass die Anerkennung von Vielfalt und die Schaffung von
inklusiven Strukturen und einer inklusiven Politik auch mit herausfordernden
Aushandlungsprozessen verbunden ist, die wir auf Grundlage unserer Werte führen.
Unsere Strukturen wollen wir so gestalten, dass sie für alle verständlich, zugänglich und
durchlässig sind und Teilhabe fördern. Politische Teilhabe darf nicht vom Einkommen, dem
Bildungsabschluss oder der Lebenssituation abhängen. Diesem Selbstverständnis nach ist es
unser Anspruch, dass bei uns alle Menschen, die unsere Werte und Ziele teilen, die
Möglichkeit haben, sich gleichberechtigt einzubringen, ihre Interessen zu vertreten und ihre
Themen zu repräsentieren – ohne Barrieren, Hürden oder Vorurteile. Diese wollen wir in
unseren Kreisverbandsstrukturen finden und einreißen.
Dazu gehört auch, unsichtbare, ausschließende Strukturen sichtbar zu machen. Wir wollen
diese überwinden und den Zugang zu gleichberechtigter politischer Teilhabe gewährleisten.
Unser Ziel ist Zusammenhalt in Vielfalt. Wir wollen, dass sich vielfältige Perspektiven in
unserem Kreisverband abbilden. Die Repräsentation von gesellschaftlich diskriminierten oder
benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen
Ebene begreifen wir als unseren demokratischen Auftrag.
Deswegen setzen wir es uns zur Aufgabe, unsere Strukturen so zu gestalten, dass sie in Bezug
auf eine rassistische, antisemitische oder antiziganistische Zuschreibung, die Religion und
Weltanschauung, eine Behinderung oder Erkrankung, das Lebensalter, die Sprache, die sexuelle
Orientierung, den sozialen oder Bildungsstatus oder die Herkunft inklusiv und nicht-
diskriminierend wirken.
Wir stellen uns Diskriminierung auch innerhalb unseres Kreisverbands entschlossen entgegen.
Durch kritische Selbstreflexion auf allen Ebenen wollen wir Wissen und Bewusstsein über
bestehende oder mögliche Diskriminierungsmechanismen – gerade auch mehr-dimensional wirkende
– in unserem KV verankern und diese Mechanismen abbauen. Diskriminierungsfälle innerhalb
grüner Strukturen werden wir aktiv bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und
Rassismus schützen.
Dafür sind wir auf die Erfahrungen und Expertise der Parteimitglieder, die eigene
Diskriminierungserfahrungen haben, angewiesen.
Wir etablieren und stärken innerhalb unserer Strukturen geschützte Räume, in denen gerade
Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sich austauschen,
vernetzen und gegenseitig stärken können, und stellen dafür Ressourcen zur Verfügung.
Wir wollen dabei einen expliziten Fokus auf Menschen setzen, die Diskriminierung aufgrund
rassistischer Zuschreibung erfahren, da hier sowohl gesamtgesellschaftlich als auch in
unserer Partei besonderer Handlungsbedarf besteht.
Durch solidarische Bündnisse unterstützen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vertretungen diskriminierter
Gruppen und ihr zivilgesellschaftliches Engagement.
Alle Untergliederungen und Teilorganisationen sowie Gremien und Versammlungen sind dazu
angehalten, diese Ziele zu achten und zu ihrer Erreichung beizutragen.
§ 1 Repräsentation
Wir wollen, dass sich vielfältige Perspektiven in unserem KV abbilden. Die Repräsentation
von gesellschaftlich diskriminierten oder benachteiligten Gruppen mindestens gemäß ihrem
gesellschaftlichen Anteil auf der jeweiligen Ebene und bei der Besetzung von Ämtern, Gremien
und Kandidaturen für Mandaten ist unser Ziel.
§ 2 Versammlungen
(1) Unsere Präsidien werden über das Jahr hinweg divers besetzt, damit sie die
gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.
(2) Bei Veranstaltungen, die vom Kreisverband Münster organisiert werden, sollen die
Referent*innen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln.
(3) Alle Veranstaltungen vom KV Münster sollen grundsätzlich barrierearm gestaltet sein.
(4) Tagungszeiten und -räume sollen nicht sozial ausschließen.
§ 3 Einstellung von Arbeitnehmer*innen
(1) Der KV Münster verpflichtet sich als Arbeitgeber*in dem Vielfaltsstatut und der Stärkung
von Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören. Bei bezahlten Stellen soll sich auf
allen Qualifikationsebenen die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln.
(2) Dazu sind Stellenausschreibungen und ihre Verbreitung so zu gestalten, dass sie den
Zielen des Vielfaltsstatuts entsprechen und Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören,
besonders ansprechen.
(3) In Bereichen, in denen Menschen, die diskriminierten Gruppen angehören,
unterrepräsentiert sind, werden diese bei Einstellungen bei gleicher Kompetenz bevorzugt.
(4) Bei der Zusammenarbeit mit Partner*innen und Dienstleister*innen wird darauf geachtet,
dass diese diskriminierungssensibel arbeiten.
§ 4 Empowerment und Weiterbildung
(1) Der Kreisverband Münster schafft Angebote zum Empowerment von diskriminierten oder in
der Partei unterrepräsentierten Gruppen.
(2) Der Kreisverband Münster schafft Angebote für die diversitätspolitische und
diskriminierungskritische Aus- und Weiterbildung der Amtsträger*innen und Führungskräfte der
Partei.
(3) Der Kreisverband stellt für diese Aufgaben ausreichend Mittel und Personalressourcen zur
Verfügung. Der Kreisvorstand stellt dies sicher.
§ 5 Entsendung in den Landesdiversitätsrat
Die Kreismitgliederversammlung vergibt Voten für die Wahl der/s Delegierten bzw.
Ersatzdelegierten des Bezirksverbands Westfalen in den Landesdiversitätsrat NRW.
§ 6 Antirassismus-Budget
Der Kreisverband stellt jährlich mindestens 1% seines Etats für Empowerment und
Weiterbildung im Sinne des Vielfaltsstatuts zur Verfügung; davon mindestens die Hälfte für
Empowerment und Weiterbildung von Betroffenen von Rassismus.
§ 7 Geltung
(1) Das Vielfalts-Statut ist Bestandteil der Satzung des Kreisverbandes Münster. Es tritt am
Tag seiner Beschlussfassung in Kraft.
(2) Die Arbeitsgruppen, Arbeitskreise, Fraktionen, Geschäftsstellen, Mandatsträger*innen,
Ortsverbände und Vorstände sind aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die zur
gesellschaftlichen Vielfalt in ihrer politischen Arbeit und ggf. ihren Gremien beitragen,
soweit die Regelungen dieses Statuts nicht direkt anwendbar sind.
Begründung
Bei der Landesdelegiertenkonferenz am 21.08.2021 in Dortmund wurde das Vielfaltsstatut als Bestandteil der Satzung des Landesverbands von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN NRW beschlossen. Damit einhergehend wurden alle Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände aufgefordert, entsprechende Regelungen in ihre Satzungen aufzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die zur gesellschaftlichen Vielfalt in ihren Gremien beitragen. Mit dem vorliegenden Vorschlag kommen wir dieser Aufforderung nun nach.
Warum brauchen wir ein Vielfaltsstatut?
In Münster hatten 2021 25,9 % der Einwohner*innen eine Einwanderungsgeschichte, d.h. sie sind keine deutschen Staatsangehörigen und/oder wurden selbst oder mindestens einer ihrer Elternteile außerhalb Deutschlands geboren. 11,1 % von ihnen waren mangels deutscher Staatsangehörigkeit nicht wahlberechtigt. Aufgrund der Einbürgerungen der 2015/16 hierher geflüchteten Menschen und des Krieges in der Ukraine dürften sich diese Zahlen 2023 anders darstellen; dennoch zeigen sie, dass es in unserem Kreisverband bisher nicht gelingt, diese Bevölkerungsteile auch nur annähernd repräsentativ abzubilden. Dadurch entgehen uns nicht nur wertvolle Perspektiven für die Parteiarbeit, sondern auch ein großes Wähler*innenpotenzial, das wir angesichts schwindender Zustimmungsraten zur Demokratie unbedingt heben müssen.
Gleichzeitig stellen sie nur eine der gesellschaftlich diskriminierten Gruppen dar, deren politische Teilhabe wir mit Hilfe des Vielfaltsstatuts in den kommenden Jahren besonders in den Fokus rücken möchten. Dazu gehören alle, die in Bezug auf Geschlecht, eine rassistische, antisemitische oder antiziganistische Zuschreibung, die Religion und Weltanschauung, eine Behinderung oder Erkrankung, das Lebensalter, die Sprache, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität, den sozialen oder Bildungsstatus oder die Herkunft diskriminiert werden.
Zunächst möchten wir als Kreisvorstand den Fokus unserer Vielfaltsarbeit auf jene lenken, die von Rassismus betroffen sind und/oder eine Einwanderungsgeschichte haben. Gleichzeitig rufen wir unsere Mitglieder explizit dazu auf, sich sowohl dabei als auch in Bezug auf die anderen genannten Gruppen einzubringen, um gemeinsam einen inklusiveren KV zu gestalten.