Veranstaltung: | Dringlichkeits-KMV 03.04.2023 zum Ergebnis des Koalitionsausschuss (Bund) |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge zum Ergebnis des Koalitionsausschuss der Bundesregierung |
Antragsteller*in: | Philip Steitz (KV Münster) |
Status: | Modifiziert übernommen |
Eingereicht: | 30.03.2023, 23:00 |
A2: Ausführliches Statement "Kein Abbau von Klima- und Umweltschutzstandards!"
Antragstext
Die Ampel-Koalition hat vereinbart, die Grundlagen der deutschen Klimapolitik
auf den Kopf zu stellen. Vor etwas mehr als drei Jahren sind Millionen Menschen
mit Fridays for Future auf die Straße gegangen, die GroKo hat sich dem Druck der
Zivilgesellschaft gebeugt und schließlich 2020 das Klimaschutzgesetz eingeführt.
Wie das Gesetz genau wirkt, konnten wir erstmals richtig im Oktober 2022 sehen:
Verkehrsminister Wissing musste ein Sofortprogramm vorlegen, weil er seine
klimapolitischen Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Was für eine Blamage! In der
öffentlichen Debatte wurde deutlich, welche Veränderungen im Verkehrsbereich
notwendig wären, um den Klimawandel zu begrenzen. Die Umwelthilfe hat Klage
eingereicht, weil Wissings Programm vollkommen unzureichend war.
Wenn die Ampel-Koalition umsetzt, was sie am 28. März beschlossen hat, war diese
Debatte nicht nur die erste um ein „Sofortprogramm“, sondern auch die letzte.
Nach dem Beschluss soll das Klimaschutzgesetz deutlich entschärft werden, so
dass für diese (und künftige) Regierungen weniger Handlungszwang entsteht.
Die geplante Rückabwicklung des Klimaschutzgesetzes:
Im Einzelnen sind die folgenden Änderungen am Klimaschutzgesetz geplant:
- Abschaffung der Sofortprogramme: Es wird die Regelung abgeschafft, dass
das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm auflegen muss, wenn es seine
Ziele verfehlt (jetzt noch: § 8 Absatz 1 Klimaschutzgesetz). An die Stelle
treten unverbindliche „Vorschläge“ der Ministerien. Unklar ist, ob diese
überhaupt veröffentlicht werden sollen.
- Überschreitung der Minderungsziele wird erst nach zwei Jahren relevant:
Diese „Vorschläge“ müssen in Zukunft erst gemacht werden, wenn das
Minderungsziel in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlt wurde – und
nicht schon nach einem Jahr, wie das jetzt noch das gesetzlich
vorgeschriebene Sofortprogramm.
- Sektorziele nicht mehr rechtsverbindlich: Bisher hat jeder Sektor
(Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft,
Abfallwirtschaft und Sonstiges) eigene jährliche Minderungsziele. Nach der
geplanten Gesetzesänderung darf ein Sektor seine Minderungsziele
überschreiten, wenn ein anderer seine Ziele übererfüllt hat. Mit dieser
neuen Verrechnungsmethode wird die Verbindlichkeit der Ziele verwässert.
Wissing kann dann in Zukunft wieder mit dem Finger auf andere zeigen:
„Macht ihr doch!“
Die geplante Absenkung von Umwelt- und Naturschutzstandards unter dem Deckmantel
der „Beschleunigung“:
Nicht nur soll die Klimapolitik dereguliert werden, sondern die Ampel-Koalition
hat sich auch noch darauf geeinigt, Umwelt- und Naturschutzstandards im
Schienen- und Straßenbau abzusenken. Bestimmte Projekte sollen per Gesetz als im
„überragenden öffentlichen Interesse“ definiert werden. Dabei schwingt der
Vorwurf mit, Behörden und Gerichte würden zurzeit Belange wie Lärmschutz,
Emissionen oder Zerstörung der Natur zu stark gewichten und somit die Projekte
aufhalten. Anstatt die Interessen im Einzelfall miteinander abzuwägen, will die
Ampel-Koalition, dass das Ergebnis der Abwägung schon feststeht, bevor überhaupt
Daten erhoben wurden. Damit wird es wohl auch Umweltverbänden und betroffenen
Bürger*innen erschwert, auf solche Großprojekte Einfluss zu nehmen.
Unsere Kritik: Wir wollen keinen Abbau von Klima- und Umweltschutzstandards!
Als Gegenleistung für den strukturellen Umbau der Klimapolitik bekommen die
Grünen laut der Vereinbarung „Lkw-Maut, Reform Straßenverkehrsrecht,
Minderungsmaßnahmen Busse und Car-Sharing“ – ein paar für sich genommen
sinnvolle Einzelmaßnahmen. Erkauft werden sie, indem wesentliche Teile des
Klimaschutzgesetzes von 2020 zurückgenommen werden, welches eigentlich den
verbindlichen Rahmen für die Klimapolitik bis 2045 bilden sollte. Dass die
Grünen im Bund jetzt dabei mitmachen, die von Fridays for Future und der
Zivilgesellschaft so hart erkämpften klimapolitischen Errungenschaften wieder
abzuwickeln und damit noch hinter die damals so vehement kritisierte GroKo
zurückfallen, ist eine tragische Wendung der Geschichte.
Im Umwelt- und Naturschutzbereich redet die Ampel-Koalition als „Beschleunigung“
schön, was eigentlich nur die Deregulierung ist, die von der Wirtschaftslobby
gefordert wird, seit es Umweltvorschriften gibt. Wir als Grüne sollten nicht das
Narrativ übernehmen, Planungsverfahren würden an Umweltverbänden scheitern, die
sich um solche vermeintlichen Nebensächlichkeiten wie bedrohte Arten sorgen.
Statt Deregulierung und Absenkung von Umweltstandards braucht es in Umweltfragen
kompetente Behörden, die ihre Prozesse gut organisieren – und nicht wegen
mangelnder Digitalisierung in Bergen von Papierstapeln untergehen.
Unsere Forderung an die Grüne Bundestagsfraktion, den Grünen Bundesvorstand und
die Grünen Minister*innen:
Dass wir als Grüne in einer Koalition nicht jede eigentlich notwendige
Klimaschutzmaßnahme durchsetzen können, verstehen wohl viele. Wenn jetzt aber
die Grünen dafür herhalten sollen, von der Klima- und Umweltbewegung hart
erkämpfte Errungenschaften wieder abzuschaffen, ist eine rote Linie
überschritten. Daher fordern wir die Grünen im Bund dazu auf:
- die Sofortprogramme im Klimaschutzgesetz nicht abzuschaffen,
- die Verbindlichkeit der Sektorziele nicht aufzuheben
- und Baumaßnahmen nicht auf Kosten der Umwelt voranzutreiben.
Begründung
Dies ist mein Textentwurf für ein ausführliches Statement des Kreisverbandes. Mir ist wichtig, die problematischen Punkte genau zu bennen, wenn wir damit an die Öffentlichkeit gehen.
Ich freue mich über eure Anregungen. Falls noch jemand an einem Text arbeitet, könnte man sich gerne zusammensetzen.
Als Lektüreempfehlung habe ich noch den Verfassungsblog: „Vorwärts in die Klimapolitische Vergangenheit“
Änderungsanträge
- Ä1 (Nicolai Krybus (KV Münster), Eingereicht)
Kommentare