Veranstaltung: | KMV 22.02.2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge der Mitgliedschaft |
Antragsteller*in: | Elena Thul (KV Münster) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.10.2022, 18:00 |
A1: Lebensmittelumbesteuerung
Antragstext
Wir fordern eine Veränderung und Anpassung des Umsatzsteuergesetzes in Hinblick
auf die Besteuerung des Verkaufs von Lebensmitteln. Es soll nicht mehr auf die
bisher üblichen Lebensmittelgruppen der Steuersatz von 7% bzw. 19 % angewendet
werden, sondern in Anlehnung an die Höhe der externalisierten Kosten,
ökologische sowie an gesundheitliche Aspekte unterschieden werden.
Beispielsweise könnte eine Einteilung in drei Gruppen vorgenommen werden für die
die folgenden Steuersätze gelten (konform zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie,
Artikel 98 in Verbindung mit Anhang 3):
- Bio-zertifizierte, pflanzliche Lebensmittel: 0%
- Nicht Bio-zertifizierte, pflanzliche Lebensmittel: 7%
- Tierische Lebensmittel:19%
Als "Bio-zertifiziert" gilt hier eine Zertifizierung nach der EG-Öko-Verordnung
834/2007 der EU.
Als tierische Lebensmittel sind hierbei all diejenigen Produkte zu deklarieren,
zu deren Inhaltsstoffen ein tierisches Erzeugnis gehört (z.B.
Vollmilchschokolade, Pizza, etc.).
Zur Umsetzung dieser Steueranpassung ersuchen wir das Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft bzw. die Grünen-Bundestagsfraktion einen
entsprechenden Gesetzesentwurf zu erarbeiten und in den Bundestag einzubringen.
2 % sollen zusätzlich auf konventionelle, tierische Produkte erhoben werden und
als zweckgebundende Abgabe in den Umbau der Nutztierhaltung eingehen.
Begründung
Der hohe Flächenbedarf der Nutztierhaltung stellt ein erhebliches Problem für den Natur- und Artenschutz dar. Für die Produktion tierischer Nahrungsmittel werden 75% der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche (Grünland- und Ackerflächen) benötigt - auf gerade einmal 11% werden pflanzliche Lebensmittel zum direkten Verzehr angebaut.
Dabei belasten gestörte Stoffkreisläufe (z.B. Anfall großer Mengen Stickstoff durch Aggregation hoher Tierbestände in Veredelungsregionen) Grundwasser, Böden und Konkurrenzgefüge in Ökosystemen. Der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln führt zudem zu direkten Verlusten an Artenvielfalt.
Allein in Deutschland könnten durch eine grünland- und restebasierte Fütterung erheblich verringerter Nutztierbestände 44 % der Ackerfläche frei werden und für den direkten Anbau von Lebensmitteln oder dringend benötigte Naturschutzflächen genutzt werden.
Zudem entstehen wesentliche Emissionen der klimawirksamen Gase CO2, Methan und Lachgas durch die Intensivtierhaltung, was diese zu einem relevanten Treiber des Klimawandels macht (14,5% aller Treibhausgase entstehen durch die Produktion tierischer Lebensmittel). Ein überaus effektiver Weg, die auf diese Weise entstehenden Treibhausgase zu minimieren, besteht somit in einer Verringerung der Anzahl der gehaltenen Tiere und damit einer Verringerung des Konsums von Fleisch, Milch und Eiern.
Im übrigen stellt die Tierhaltung eine enorme Belastung für die Süßwasserversorgung im Angesicht der globalen Wasserknappheit dar. Etwa 1/3 des deutschen landwirtschaftlichen Wasserverbrauchs wird für die Erzeugung tierischer Produkte genutzt. Der Wasserverbrauch bei der Herstellung von Futtermitteln wird hierbei nicht einmal mit eingerechnet.
Auch hinsichtlich der Welternährung wäre eine wesentliche Reduktion der Nutztierbestände anzustreben, bedenkt man die kalorische Ineffizienz der Fleischproduktion (ca. 7-10 kg Pflanzen für 1 kg Fleisch).
Zum Erreichen dieser Verringerung wären finanzielle Anreize ein erster Schritt:
Obst und Gemüse würden günstiger, Fleisch, Milch und Eier teurer. Aus einer zusätzlich zweckgebundene Teilabgabe für tierische Produkte könnte der nötige strukturelle Umbau der Nutztierhaltung finanziert werden.
Des Weiteren sind gesundheitliche Aspekte relevant:
Ein wesentlicher Risiko- bzw. auch Protektivfaktor vieler Erkrankungen (wie z.B. Diabetes mellitus Typ 2, Herzinfarkt, Schlaganfall, verschiedene Krebserkrankungen...) besteht in der Ernährung. Der wichtigste Grundbaustein einer gesunden Ernährung sind pflanzliche Lebensmittel, die reich an Vitaminen und Ballaststoffen sind (siehe Ernährungspyramide:https://www.in-form.de/wissen/bzfe-ernaehrungspyramide/).
Eine Vergünstigung eben dieser Produkte kann zu einer gesünderen Ernährung motivieren. Ernährungsbedingte Wohlstanderkrankungen (verursachen aktuell rund 17 Mrd. Euro Kosten jährlich) würden abnehmen, wodurch das stark strapazierte Gesundheitssystem erheblich entlastet werden kann.
Ebenso würde sich die verringerte Aufnahme von Cholesterol und ungesättigten Fettsäuren durch eine Verminderung des Verzehrs tierischer Lebensmittel positiv auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Die erhöhten Kosten für den Erwerb tierischer Produkte könnten den aktuell im Bundesdurchschnitt deutlich zu hohen Fleischkonsum reduzieren (etwa doppelt so hoch wie empfohlen).
Der finanzielle Anreiz sich gesünder zu ernähren trägt damit direkt zur Verbesserung von zwei Problemen bei:
1.Das Individuum leidet weniger an Erkrankungen
2.Die enormen gesamtgesellschaftlichen Kosten, die beispielsweise für die Behandlung von Diabetes mellitus und seinen Folgeerkrankungen anfallen, würden gesenkt
- --> dieses Geld stünde für andere Zwecke zur Verfügung. Darüber hinaus ist es unsere ethisch-moralische Verpflichtung den (insbesondere domestizierten) Tieren gegenüber, den Konsum von Fleisch zu reduzieren!
In der tierexperimentellen Forschung gilt das Prinzip der 3R: "Reduction, Refinement, Replacement" oder auf deutsch "Reduktion, Verbesserung, Ersatz" . Das bedeutet, dass Tierversuche möglichst vermieden werden sollen, wo sie nötig sind, dann aber die Zahl der verwendeten Tiere minimiert und ihre Haltungsbedingungen optimiert werden, um ein Leiden soweit möglich zu verhindern.
In Übertragung auf die Nutztierhaltung würden die steuerlichen Veränderungen genau diesem ethisch-moralisch gebotenen 3R-Prinzip entsprechen.
Es würde ein Anreiz gesetzt, auf den Konsum tierischer Produkte zu verzichten oder ihn zu verringern und durch die Finanzierung einer zweckgebundenen Teilabgabe würden gleichzeitig verbesserte Haltungsbedingungen in tierhaltenden Betrieben erwirkt.
Hiervon würden nicht zuletzt die Landwirt*innen profitieren, die in der bestehenden GAP-Förderung nach dem weiche-oder-wachse-Prinzip wirtschaften müssen und ohne finanzielle Unterstützung oft nicht in der Lage wären, die zum Umbau der Nutztierhaltung nötigen Investitionen zu tätigen.
Schlussendlich ist noch die Praktikabilität einer solchen Umbesteuerung anzuführen. Sie stellt ein relativ einfaches Mittel mit überschaubaren bürokratischen Hürden dar, um schädliche Subventionen abzubauen - und das ohne steuerliche Mehrbelastung der Bevölkerung.
Zudem zeigen Umfragen, dass in der Bevölkerung Wertschätzung von Lebensmitteln und nachhaltige Produktion allgemein befürwortet wird.
Unterstützer*innen
- Tim Lautner (KV Münster)
- Annika Tiessen (KV Münster)
- Laura Sundermann (KV Münster)
Änderungsanträge
- Ä1 (Albert Wenzel, Anne Herbermann, Maximilian Brinkmann-Brand und Robin Korte (KV Münster), Eingereicht)
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