Veranstaltung: | KMV Grüne Münster 30.10.2024 - OB-Kandidatur, Anträge und Delegationen |
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Tagesordnungspunkt: | 5. Anträge aus der Mitgliedschaft |
Antragsteller*in: | Stefan Riese (KV Münster) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.10.2024, 22:37 |
A2: Für eine die Menschenrechte achtende Fluchtpolitik
Antragstext
Nach den schrecklichen Morden von Solingen muss alles getan werden, um solche in Zukunft zu
verhindern. Dazu bedarf es einer guten Politik der inneren Sicherheit.
Falsch und unrechtmäßig wäre es, alle Menschen, die aus demselben Land wie der Attentäter
kommen, unter Generalverdacht zu stellen und zum Beispiel Geflüchtete aus Syrien oder aus
anderen Ländern pauschal unter Verdacht zu stellen oder gar, wie Friedrich Merz es fordert,
einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan zu verhängen – sogar für die
Menschen, die vor Islamismus fliehen. Zu Recht hat der Europäische Gerichtshof aktuell
festgestellt, dass Frauen allein schon aufgrund ihres Geschlechts in Afghanistan
diskriminiert und verfolgt werden.
Die meisten Menschen flüchten in ihre Nachbarländer und nicht in erster Linie nach Europa.
Von den Geflüchteten, die nach Deutschland gekommen sind, leben die allermeisten friedlich
hier. Sie sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft.
Der Attentäter von Solingen hat sich mutmaßlich, wie die meisten islamistischen Täter, in
Deutschland radikalisiert und ist nicht als Attentäter eingereist. In der
Migrationsforschung wird darauf hingewiesen, wie Radikalisierung häufig durch mangelnde
Integrationsangebote gefördert wird. Weiterhin wird hervorgehoben, dass Geflüchtete zudem
oft mit großen psychosozialen Problemen, die sowohl im Herkunftsland als auch auf der Flucht
entstanden sein können, konfrontiert sind. Diese können nach der Flucht noch verstärkt
werden durch Faktoren wie Isolation und Entwurzelung, lange Unterbringung in
Sammelunterkünften, Diskriminierung und Rassismus, prekäre Lebensbedingungen und das
permanente Risiko, Deutschland verlassen zu müssen. Eine Politik, die den geflüchteten
Menschen das Leben in Deutschland unangenehm machen will, damit sie sich gar nicht erst auf
den Weg nach Deutschland machen, ist laut Forschung hingegen wirkungslos; die Menschen
kommen trotzdem. Im Gegenteil: Eine solche Politik trägt zur prekären Lage von Geflüchteten
noch bei.
Grüne Politik setzt darauf, geflüchtete Menschen dabei zu unterstützen, ihre Rechte
durchzusetzen und so schnell wie möglich (u. a. mittels Zugang zu Arbeit und Wohnung) zu
integrieren.
Die Bundesratsinitiative der schwarz-grün regierten Bundesländer
Durch die Bundesratsinitiative „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der
Migrationspolitik sicherstellen“ (Drucksache 464/24 vom 25.8.2024) der drei schwarz-grün
regierten Bundesländer sehen wir die Grundsätze grüner Fluchtpolitik, wie sie in unserem
Grundsatzprogramm verankert sind, gefährdet.
Im Einzelnen:
1. Während in unserem Grundsatzprogramm klargestellt wird: „Abschiebungen in Kriegs- und
Krisengebiete verbieten sich“, will die schwarz-grüne Bundesratsinitiative Straftäter*innen
nach Afghanistan und Syrien abschieben.
2. Während in unserem Grundsatzprogramm gefordert wird: „Kein Mensch ist illegal, daher
sollten Abschiebungen stets das letzte Mittel sein. Freiwillige Rückkehr hat immer Vorrang“,
will die schwarz-grüne Bundesratsinitiative Abschiebungen ausweiten.
3. Während unser Grundsatzprogramm klarstellt: „Haft ohne Verbrechen zur Durchsetzung der
Ausreise ist ein massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht“,
will die schwarz-grüne Bundesratsinitiative den Ausreisegewahrsam, eine Form der
Abschiebehaft, die im Gesetz erlaubt ist, ohne dass die Bedingungen für Abschiebehaft
vorliegen, ausweiten und die bisherige Befristung, die die Bundestagskoalition erst im
vergangenen Jahr von 10 auf 28 Tage verlängert hat, komplett aufheben.
4. Unser Grundsatzprogramm fordert zu Recht: „Die Möglichkeit, zu fliehen sowie in
Deutschland und Europa Schutz zu suchen, darf jedoch nicht durch Kooperationen mit
Drittstaaten erschwert werden und Kooperationen dürfen nicht zu Menschenrechtsverletzungen
führen. Besonderen Schutz brauchen vulnerable Gruppen wie zum Beispiel Frauen, Kinder,
LSBTIQ*, alte und kranke Menschen“. Die Praxis zeigt, dass zahlreiche Länder an den
Außengrenzen der EU die Menschenrechte oft nicht achten, wie Libyen oder die Türkei. Der
geplante Abschluss von weiteren Migrationsabkommen muss sicherstellen, dass die
Menschenrechte gewahrt bleiben. Der Gesamttenor der schwarz-grünen Bundesratsinitiative gibt
Anlass zu der Befürchtung, dass dies nicht der Fall sein könnte.
5. Unser Grundsatzprogramm fordert: „Der Zugang zu individuellen Asylrechtsverfahren muss in
den Mitgliedstaaten der EU gewährleistet sein. Abschottung ist nicht nur inhuman, sondern
führt zu Chaos. Rechtsstaatlich und europäisch kontrollierte EU-Außengrenzen, eine
zuverlässige Registrierung und erste Checks durch eine eigene EU-Asylbehörde, humane
Unterkünfte sowie ein einheitliches Asylsystem, das die Verantwortung innerhalb der EU fair
verteilt, sind die Grundlagen einer gemeinsamen Asylpolitik in der EU. Grenzen sind nur
rechtsstaatlich kontrolliert, wenn Menschenrechte an diesen Grenzen geschützt werden und
eine Möglichkeit zur Einreise existiert“. Wir lehnen daher die Internierung von Geflüchteten
an den EU-Außengrenzen ab. Da wir mit dem entsprechenden Beschluss der EU einstweilen leben
müssen, sollten wir dafür sorgen, dass dieser so human wie möglich umgesetzt wird. Die
schwarz-grüne Bundesratsinitiative fordert hier lediglich die „zügige Umsetzung“.
6. Die von der schwarz-grünen Bundesratsinitiative geforderte Streichung/Kürzung von
Leistungen für Personen, die nach der Dublin-III-Verordnung überstellt werden sollen, ist
inhuman und widerspricht den Grundsätzen Grüner Sozialpolitik. Sie trägt in keiner Weise zur
Vermeidung von islamistisch motivierten Attentaten bei.
7. Unser Grundsatzprogramm fordert: „Statt Länder politisch als sichere Dritt- oder
Herkunftsstaaten einzustufen, braucht es rechtssichere, schnelle und faire Verfahren, also
unvoreingenommene Asylverfahren.“ Die schwarz-grüne Bundesratsinitiative will hingegen die
Deklaration sicherer Herkunftsländer ausweiten.
8. Die schwarz-grüne Bundesratsinitiative will geflüchtete Menschen aus Herkunftsländern,
deren Anerkennungsquote kleiner als 5 % ist, einem beschleunigten Verfahren unterwerfen,
wobei das Individualrecht auf Asyl hiervon unberührt bleiben soll. Ein beschleunigtes
Verfahren birgt aber die Gefahr in sich, dass die Asylgründe nicht hinreichend gründlich
geprüft werden. Auch Geflüchtete aus Ländern mit einer niedrigen Anerkennungsquote können
gute Gründe haben, Asyl zu erhalten.
Bei allem Verständnis für Kompromisse, die in einer Koalition notwendig sind, sehen wir die
Gefahr, dass unsere Fluchtpolitik zu stark den Vorstellungen der CDU und in Teilen auch der
AfDfolgt. Migration ist normal und Menschen werden immer fliehen, wenn sie sich woanders ein
besseres Leben versprechen.
Fluchtpolitik in Nordrhein-Westfalen
Es war ein Grüner Erfolg in NRW, dass, ganz im Sinne unseres Grundsatzprogramms, das
fordert, dass Asylsuchende „Zugang zu einer unabhängigen Beratung während des gesamten
Verfahrens“ haben, der Koalitionsvertrag der Landesregierung verspricht: „Die unabhängige
Verfahrensberatung und soziale Beratung wollen wir stärken und weiter ausbauen“. Die
Landesregierung hat deshalb ergänzend zu den Bundesmitteln für die reine Verfahrensberatung
mit eigenen Mitteln die Beratung gestärkt. Auch wenn nach Angaben der Sozialverbände durch
die Bundes- und Landesförderung der Beratung nur bis zu 50 % der Geflüchteten eine
unabhängige Beratung angeboten werden konnte, war dies doch ein wichtiger Schritt in die
richtige Richtung.
Nun will die Landesregierung aber insgesamt rund 7 Mio. € pro Jahr für
Asylverfahrensberatung in den Landesunterkünften, die Ausreise- und Perspektivberatung in
den Landesunterkünften und die Verfahrensberatung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter
einsparen.
Unser Appell
Wir bitten die grünen Mitglieder der Landesregierung aus den genannten Gründen, die
Positionen unseres Grundsatzprogramms stärker zu berücksichtigen und die derzeitige
Fluchtpolitik der schwarz-grünen Landesregierung gemeinsam mit Fachleuten in und außerhalb
unserer Partei zu überprüfen. Wir bitten außerdem darum, die Entscheidung über die Kürzung
der Beratungsförderung zu überdenken.
Wir bitten die Grüne Landtagsfraktion, diese Positionen zu unterstützen.
Weiterhin bitten wir die Grüne Bundestagsfraktion, die oben genannten Forderungen der
schwarz-grünen Bundesratsinitiative nicht zu unterstützen.
Unterstützer*innen
- Heribert Kammers (KV Münster)
- Moritz Meier (KV Münster)
- Raimund Köhn (KV Münster)
- Simon Haack (KV Münster)
- Sonja Völker (KV Münster)
- Birgit Wolters (KV Münster)
- Katharina Foreman (KV Münster)
- Ilka Sander-Maas (KV Münster)
- Fabian Müller (KV Münster)
- Jacob Hassel (KV Münster)
- Gero Gonser (KV Münster)
- Nicolas Sylvester Stursberg (KV Münster)
- Lukas Färber (KV Münster)
- Tim Lautner (KV Münster)
- Kai Bleker (KV Münster)
- Jörg Rostek (KV Münster)
- Svenja Bloom (KV Münster)
Zustimmung
- Ali Saker
- Steffen Dennert
- Almut Wiemers
- Lennard Runkel
- Dietrich Eckeberg
- Johannes Massolle
- Judith Petersen
Kommentare
Stefan Riese:
Aus irgendeinem Grund erscheint der Antragstext auf PCs und Laptops (nicht auf mobilen Geräten) mit vielen überflüssigen Zeilenumbrüchen, so dass er schwer zu lesen ist. Man kann aber auf den PDF-Link in der Tagesordnung klicken und erhält dann ein besser lesbaren Text.
Ulrich Kathöfer:
Die Antragsgrün-Software ermöglicht die formale Unterstützung nur bis zum Ende der Antragsfrist. Dafür ist jetzt die Option "Zustimmung" verfügbar, die gern zur weiteren Unterstützung verwendet werden kann.